Die
Frage der Schaufenster: Von Nina Schleif |
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In kunsthistorischen Schriften, in denen Duchamps Schaufenster-Projekte erwähnt werden, ist zumeist nur von der Auslage für Arkanum 17 die Rede. Das mag zum einen daran liegen, dass bereits sehr früh in der seit 1973 ausufernden Duchamp-Literatur, nämlich schon 1977, ein ausführlicher und gedankenreicher Artikel von Charles Stuckey erschienen ist, der sich mit Duchamps Beitrag zu diesem Schaufenster, der kopflosen Schaufensterpuppe, beschäftigte. Der Artikel ist zudem interessant, weil er das schwierige Verhältnis von Kunsthistorikern zum Medium Schaufenster eindrücklich widerspiegelt. Daher seien hier einige Bemerkungen zur Historiographie dieses Schaufensters erlaubt. Stuckey zog kunsthistorische Vergleiche für das Mannequin heran und versuchte, es in Duchamps Oeuvre einzuordnen. Obwohl er mit einer Vielzahl mehr oder weniger plausibler Bezüge aufwarten konnte, fühlte er sich verpflichtet, seinen Ansatz zu rechtfertigen: "Vielleicht ist es widersinnig, ein solch kurzlebiges Werk wie Lazy Hardware zu untersuchen, das nur der Versuch war, das Buch eines Freundes anzupreisen" (24). Seine eigenen Zweifel beseitigte er indes mit dem Hinweis, viele andere Künstler hätten ebenfalls in Schaufenstern gearbeitet. 25 Jahre nach Stuckeys Artikel ist der Verweis auf dieses Schaufenster zu einer Pflichtübung im immer aufwendigeren Parcours der Duchamp-Forschung geworden. In eines seiner Überblickswerke nahm kürzlich Hans Belting eine Photographie der Auslage auf; bei einer Buchvorstellung deutete er sogar an, dieses Schaufenster enthalte alle wichtigen Ideen des Grossen Glases (25). Die feministische Forschung stand nicht an, Lacan und seine Theorie des Spiegelstadiums an einer Photographie abzuhandeln, in der Duchamp und Breton sich in der Scheibe dieser Auslage spiegeln, um daran die Ermahnung auszusprechen, dass erst wir als Betrachter mit unserem "'begehrenden' Blick" etwas hervorbringen, was keineswegs Duchamp selbst, sondern nur ein Spiegelbild seiner selbst sei (Abb. 13) (26). Es ist somit ein Paradox in der Forschung entstanden, das darin besteht, dass Kunsthistoriker die Auslage an sich und zugleich die Photographien immer häufiger erwähnen, aber scheinbar immer seltener betrachten. Um dieser Regression zuvorzukommen, soll daher hier noch einmal ein Blick auf die Auslage geworfen werden. Zunächst müssen jedoch einige der Erkenntnisse Stuckeys zu Lazy Hardware erwähnt werden. Er beschränkte sich ganz auf das Mannequin und liess Mattas Beiträge zum Schaufenster beiseite. Die Kopflosigkeit der Puppe führte er auf eine Anlehnung an Max Ernsts Figur aus dem Collage-Roman La Femme 100 Têtes (1930) zurück. Dieser Bezug scheint weniger aufgrund von formalen Parallelen, als vielmehr für das im Titel enthaltene Wortspiel relevant zu sein. Werner Spies hat immerhin vier Lesarten aufgezeigt (27). Eine Behauptung, die sich schwerlich aufrecht erhalten lässt, die aber dennoch fasziniert, erläuterte Stuckey anhand der Rekonstruktion der ersten Aufstellung des Mannequins. Er behauptete, es habe bei Brentano's niedriger gestanden, so dass etwaige Spiegelungen der Betrachter nicht im Bereich der Scham der Puppe, sondern auf Kopfhöhe erfolgt seien. Die wechselnden Betrachter hätten diese Frau über den Tag hinweg tatsächlich zu einer Frau mit hundert Köpfen gemacht. Stuckey stellte zudem erstmals den Bezug zu Duchamps oben bereits erwähntem Text zum Schaufenster von 1913 her und beschrieb "die aktive Rolle, die Duchamp dem Fenster zuschreibt" als das Bemerkenswerte daran (28). Hieraus erklärt sich, warum für Stuckey der Bezug zu Ernst so wichtig war. Da jedoch die Puppe lebensgross war, hätte sie bei Brentano's auf Höhe des Gehwegs stehen müssen, um die vermeintliche Spiegelung zu bewirken. Das war nach Stuckeys eigenen Angaben nicht der Fall, und wird auch durch die Photographie eines Schaufensters des gleichen Jahres für Brentano's widerlegt, das in etwa der gleichen Höhe wie das vom Gotham Bookmart ansetzt (29). Drei der erhaltenen Photographien spielten freilich mit Spiegelung, indem sie Duchamp und Breton, beziehungsweise Breton allein neben die Schaufensterpuppe projizierten. Wohl dadurch kam Stuckey auf den Gedanken, dass die hell angestrahlte Schürze, die einzige Bekleidung der Puppe war, am zweiten Standort eine Reflektion ausschloss und den direkt davor stehenden Betrachter quasi der Spiegelung seines Kopfes beraubt habe. In Analogie zu Ernsts "Frau ohne Kopf" (Femme Sans Tête) hätte da nun ein Betrachter ohne Kopf gestanden, und dieses Wechselspiel nannte Stuckey mit Duchamp "den Koitus durch eine Glasscheibe hindurch". Die Frage, warum Duchamp den Betrachter hätte enthaupten wollen, bleibt allerdings ungeklärt. Für den Wasserhahn, den Duchamp am rechten Oberschenkel des Mannequins angebracht hatte, verwies Stuckey zu Recht auf Duchamps Spruch: "Von unseren Artikeln an träger Eisenware empfehlen wir einen Wasserhahn, der zu tropfen aufhört, wenn man ihm nicht mehr zuhört" (30). Offensichtlich hörte niemand mehr zu, denn dieser Wasserhahn tropfte nicht (31). Stuckey ist einer der ersten, die den Wasserhahn in der Literatur phallisch gedeutet haben (32). Craig Adcock hat diese Lesart zum Anlass genommen, gleich von einer Geschlechtsumwandlung der Puppe in Analogie zu Duchamps Spiel mit seinem weiblichen Alter Ego Rrose Sélavy zu sprechen (33). Duchamp selbst hat den Ausspruch vom tropfenden Wasserhahn 1964 in einer Radierung seines Brunnens untergebracht, und damit indirekt eine Verbindung zwischen dem Schaufenster mit Lazy Hardware und dem mit Badezimmerausstattung der Firma Mutt aufgezeigt (34). "Er ist ein Zubehör, das man jeden Tag in den Schaufenstern von Klempnern sehen kann", hatte Duchamp von dem Brunnen gesagt (35). Mit Lazy Hardware veranschaulichte er diese Behauptung für den Wasserhahn, dehnte sie - nicht ohne Witz - auf das Schaufenster eines Büchergeschäfts aus. Stuckey versuchte sich verdienstvoller Weise auch daran, Parallelen zwischen Duchamps Mannequin und Bretons Buch Arkanum 17 aufzuzeigen, wobei er einen Aspekt daraus hervorhob: die Polarität von Mann und Frau. Nach Stuckey ersetzte Duchamp diese Vorgabe von Breton bei Lazy Hardware durch die Polarität von Betrachter und Betrachtetem. Diese Auslegung beruht jedoch auf einem etwas wackeligem Verständnis von Bretons Schrift. Eine genaue Lektüre von Bretons Roman soll im folgenden den für Lazy Hardware wichtigen Aspekt des Geschlechterverhältnisses klären. Breton hatte das Buch im August 1944 während eines Urlaubs mit seiner zukünftigen Frau Elisa Caro in Kanada begonnen und kurz nach seiner Rückkehr beendet, so dass bereits zu Weihnachten 1944 eine De-Luxe Ausgabe mit farbigen Reproduktionen von Mattas Tarotkarten erscheinen konnte (36). Der Titel des Buches bezog sich auf die Tarotkarte mit der Nummer 17, die Breton einer literarisch-politisch gefärbten Deutung unterzog. Besondere Bedeutung schrieb er dem grössten auf der Karte abgebildeten Stern zu: "Der hier wiedergefundene Stern ist der des grossen Tagesanbruchs, jener, der danach strebte, die anderen Gestirne im Fenster zu überstrahlen" (37). Mit dem Tagesanbruch waren, so geht aus dem Buch hervor, zwei konkrete Dinge gemeint. Das Ende des Krieges und der Beginn einer neün Liebe für Breton, dessen erste Ehe kurz zuvor zu Bruch gegangen war, der aber neues Glück bei Elisa Caro gefunden hatte. Beides erörterte und vermengte Breton in dem Buch, wo er das Bild des Sterns in diesem Sinn ausführlicher deutete:
In Analogie zur Liebe, die nach einem Verlust wieder neu entstehen könne, sah Breton hier dem Frieden entgegen, der trotz des Krieges bald greifbar werden würde. Bretons Anliegen mit dem Buch war es, diesen persönlichen Optimismus weiterzugeben und die Gestaltung des Friedens vorauszudenken. Wie so oft bei Duchamp kann man in den drei von ihm plazierten Gegenständen zahlreiche Anspielungen aufdecken, die freilich weder augenscheinlich noch zwangsläufig sind. Die Schreibfeder kann neben dem offensichtlichen Verweis auf die von Breton in Arkanum 17 als Heilmittel besungene Poesie beispielsweise Sinnbild für den von ihm gegen Ende des Buches angeführten "Engel Freiheit" sein, der nach Victor Hugo "geboren [ist] aus einer weissen Feder, die Luzifer bei seinem Sturz verloren hat" (39). Die Flasche war die Originalvorlage für das von Duchamp angefertigte Titelbild des Duchamp-Heftes der Zeitschrift View, das im März 1945 erschien und ebenfalls im Schaufenster ausgestellt war. Das Cover zeigt die von rechts unten nach hinten in die Bildmitte ragende Flasche, aus deren Öffnung scheinbar Rauch aufsteigt in den Sternenhimmel, der den Hintergrund des Blattes ausfüllt. Aus einem Bericht darüber, wie Duchamp diese Collage angefertigt hat, geht hervor, dass das Etikett aus seinem Livret Militaire, seinem Militärausweis, bestand (40). Der Künstler war aus gesundheitlichen Problemen schon nicht in den Ersten Weltkrieg eingezogen worden (41). Eine politische Deutung der Flasche wird noch verstärkt, wenn man sie in Verhältnis zu Bretons Ausspruch (der Duchamp vielleicht auch bekannt war), "die traurige Flasche dieser Zeiten aufschütteln" setzt (42). Der entweichende Rauch würde belegen, dass dies gelungen ist, dass das Ende des Krieges in Reichweite gekommen ist. Bretons Buch bot erste Gedanken für diese Übergangszeit an. Beide Beigaben, die Feder und die Flasche konnten folglich politisch gedeutet werden und hätten damit eines der beiden Themen von Bretons Buch behandelt. Das Tintenfass in Form eines Seesterns kann als Bretons Stern verstanden werden, der für Freiheit und für Liebe stand. Die Schaufensterpuppe jedoch ist schwerlich politisch zu deuten. Vielmehr wird hier eine Auslegung analog zu Duchamps Tür für Gradiva vorgeschlagen, nämlich als Anspielung Duchamps auf Bretons Ansichten zur Liebe, dem zweiten Thema von Arkanum 17, und spezifischer noch Bretons Verhältnis zu Frauen. Die Schaufensterpuppe wäre folglich eine Verkörperung von Bretons Konzept der Frau, jedoch nicht nur der Art von Frau, die in Bretons Buch eine solch zentrale Rolle spielt, der Kind-Frau, sondern zugleich eines alternativen Typus Frau. Duchamp kommentierte mit dieser Figur Bretons Verhältnis zu Frauen, speziell zu seiner ersten Frau Jacqueline, die sich 1942 von Breton getrennt hatte, um eine Beziehung zu dem Künstler David Hare einzugehen (den Breton zum Herausgeber der surrealistischen Exil-Zeitschrift VVV gemacht hatte). Zugleich kommentierte er Bretons Verhältnis zu Elisa, auf die sich die Liebeserklärungen in Arkanum 17 bezogen, und die seine zweite Frau werden sollte. In seiner umfassenden Breton-Biographie hat Mark Polizzotti auf den grossen charakterlichen Unterschied dieser beiden Frauen hingewiesen. Er beschrieb Jacqueline als eine Frau, die "ihrer eigenen Bestimmung zu folgen" beschlossen hatte und die als Künstlerin erfolgreich werden wollte (43). Zu Bretons Ungemach führte sie im New Yorker Exil ein von ihm sehr unabhängiges - und im Gegensatz zu seinem - ereignisreiches Leben. Dagegen vergleicht Polizzotti Elisa zu Recht mit der Kind-Frau, die Breton in Arkanum 17 verherrlichte, war sie doch "verletzbar und leidenschaftlich, offenkundig ohne die privaten Ambitionen, die Breton bei seinen anderen Frauen nur so schwer akzeptieren konnte" (44). Breton hatte zwar dafür plädiert, dass angesichts des Krieges Frauen eine grössere gesellschaftliche Rolle spielen sollten: "Es wäre an der Zeit, die Ideenwelt der Frau auf Kosten derjenigen des Mannes in den Vordergrund zu stellen, die heute mit ziemlichem Getöse ihren Bankrott erlebt," heisst es da scheinbar freimütig an einer Stelle (45). Doch wollte Breton die 'Ideenwelt' der Frau zugleich auf zwei Stimmen beschränken, "die eine, um liebend das Wort an den Mann zu richten, die andere, um das ganze Vertrauen des Kindes zu gewinnen" (46). Dieses Ideal verkörperte Elisa. Die Beschränkung der Frau, die er damit vornahm (und auch in seiner Begeisterung für die Geschichte Gradiva bezeugt hatte), begriff der Autor selbst nicht als negativ. Duchamp dürfte da anders gedacht haben und dies drückte sich, so hier das Argument, in der Schaufensterpuppe Lazy Hardware aus. Wenn man unter diesem Aspekt die Schaufensterpuppe in Bezug zu Ernsts Romanfigur setzte, könnte man in ihr sowohl die Frau sehen, die ihren eigenen Kopf hat (Femme S'Entête), als auch die kopflose Frau (Femme Sans Tête). Die Frau mit eigenem Kopf wird in der Puppe symbolisiert durch den Wasserhahn, der eine Anspielung Duchamps auf Jacqueline war. Der Trennung von ihr und Breton ging Streit voraus, der unter anderem von tropfenden Wasserhähnen verursacht wurde. So hatte Breton sich gegenüber einem Freund beschwert: "Kannst Du Dir vorstellen, wie einen das in einem Hotelzimmer oder einer winzigen Wohnung irritieren kann, wenn der andere niemals die Wasserhähne zudreht?" (47). Der Wasserhahn hier ist zu, er tropft nicht mehr, und - mit der Definition von Trägen Eisenwaren -: Jacqueline hört Breton auch nicht länger zu, denn sie ist gegangen. Die Schürze dagegen steht für Elisa, die keinen eigenen Kopf hatte, die in der Rolle der ergebenen Gattin und fürsorglichen Stiefmutter voll aufging. Das Exemplar von Bretons Buch, das die Puppe in den Händen hält, bezeichnet Breton als Bezugspunkt für beide Frauen. Breton sind diese Andeutungen des Freundes, wie bereits bei der Gradiva-Tür, jedoch scheinbar nie zu Bewusstsein gelangt, was dafür spricht, wie dezent Duchamp seine Kritik anbrachte, denn Breton war bei beiden Projekten die Person, die sie am ehesten hätte verstehen können. Ein weiteres bemerkenswertes Element dieses Schaufensters war das Plakat, das Matta eigens dafür angefertigt hatte. Es ist ein merkwürdiger Umstand der Geschichte, dass, obwohl nicht die Puppe, sondern die weibliche Brust in Roberto Mattas Bild der Auslöser für erneuten Ärger mit der Auslage (am zweiten Standort) war, die neuere Forschung eher an der Puppe als an der nackten Brust in Mattas Bild Anstoss genommen hat (48). Das Plakat ist heute nur in einer Schwarz-Weiss Reproduktion zugänglich, dürfte aber in Analogie zu anderen Werken dieser Zeit durchaus mit verschiedenen hellen Farben ausgeführt worden sein. Das Hochformat, das an der linken Seite des Schaufensters des Gotham Bookmart von der Decke abgehängt worden war, zeigt eine für Matta damals typische Strichzeichnung, in die etwa mittig Fahnen mit "arcane 17" und am unteren Ende mit "André Breton" gesetzt sind. Die Bildhälfte oberhalb von "arcane 17" deutet mit vielen kleinen Punkten und einem grösseren zackigen Objekt den Sternenhimmel an, von dem in Bretons Buch die Rede war. Die untere Bildhälfte füllt ein nacktes Liebespaar, das in einem 'verschlingenden' Kuss ineinander verflochten ist. Die Köpfe sind insektenhaft auf Öffnungen und Rüssel reduziert. Dass es die Frau ist, die auf dem Rücken liegt, lässt sich allein an ihrer Brust ablesen. An dieser Brust machten am zweiten Standort der Auslage die Sittenwächter der Vice Society in Person eines gewissen John Sumner ihre Kritik fest. Die Besitzerin von Gotham Bookmart, Frances Steloff, auf die diese Anekdote zurückgeht, wies zunächst seine Vorwürfe zurück mit dem Hinweis: "Ich kann dieses Fenster genauso wenig anrühren, wie ich ein Meisterwerk verändern könnte. Es wurde von Breton und Duchamp persönlich hergerichtet" (49). Doch Sumner bestand auf einer Änderung. Steloff berichtete über ihr weiteres Vorgehen:
Die Photographien zeigen allerdings keine Karte über der Brust, sondern eine Schürze, die jener ähnelt, die Schaufensterpuppe trägt (51). Eine raffinierte Anspielung auf die engstirnige bürgerliche Moral, die Kind-Frau symbolisierte, und in deren Dienst sich die Vice Society gestellt hatte. Das Schaufenster für Arkanum 17 belegt besonders anschaulich die Vielschichtigkeit der Auslegungsmöglichkeiten, die Duchamp auch in diesen Werken offeriert. Es bietet sowohl persönliche, als auch weltanschauliche Anspielungen. Duchamp äussert sich zum künstlerischen Prozess ebenso wie zur Banalität von Schaufensterauslagen. Die Rollen von Künstler, Betrachter, Kaufmann und Kaufendem werden gleichermassen angesprochen wie der in den beiden Hauptwerken thematisierte Topos der (vermeintlichen) Erotik des Blicks. Duchamp unterzieht all diese Aspekte derselben Befragung. Das Betrachten des Schaufensters wird somit zum Betrachten der eigenen Anschauungen, zur Befragung der eigenen Person. Ebenfalls 1945 entstand ein weiteres Schaufenster für den Buchladen Brentano's an der Fifth Avenue (Abb. 14). Das Buch, das es diesmal anzuzeigen galt, war Bretons Der Surrealismus und die Malerei, das gerade bei Brentano's eine neue Auflage erhalten hatte. Rechts in der Auslage standen auf zwei Stufen jeweils eine Plastik von Enrico Donato und tiefer eine von Duchamp. Beide Paare Fuss-Schuhe gehen auf ein Bildmotiv von Magritte zurück (Das Rote Modell, 1937), das als Titelbild des anzuzeigenden Buches gewählt worden war. Während Donatis "Füsse" Magrittes Motiv ins Dreidimensionale übersetzten, zeigten Duchamps "Füsse" die Unterseite dieser sich verdinglichenden Glieder. Thomas Girst hat Duchamps Fuss-Plastik zu Recht als erotisches oder gar fetischistisches Motivt gedeutet (52). Im Zentrum dieses Fensters hing ein Papier-Schleier, der, in der Mitte fixiert, nach zwei Seiten auseinanderfiel. Unter dem Schleier stand eine abstrakte Plastik der Bildhauerin Isabelle Waldberg. Durch die Künstlerin ist überliefert, dass Duchamp der Erfinder dieser Auslage war (53). Girst ist die wichtige Entdeckung zu verdanken, dass es sich bei der Figur von Waldberg um eine Person handelte, der eine ähnliche Körperhaltung aufwies wie später jener in Étant Donnés (Abb. 15) (54). Vor diesem Ensemble stand ein vorgefertigter Torso aus Maschendraht, wie er vermutlich häufig in professionellen Friseur- oder Oberbekleidungs-Schaufenstern verwendet wurde. Folgt man Girsts Argument und erkennt in der Figur ein Vorstadium für Etant Donnés, dann fällt auf, dass der Schleier nur dem Schaufenster, nicht der späteren Installation eigen ist. Es ist vor allem das Motiv einer lasziv sich darbietenden Frau unter einem solchen Schleier das nahe legt, verschiedene Werke von Paul Cézanne könnten hier als Anregung gedient haben. Dessen Gemälde L'Eternel Féminin (1880-82) weist besonders markante formale Parallelen zu Duchamps Bildschöpfung auf (Abb. 16) (55). Die Körperhaltung beider Frauen - das angewinkelte rechte Bein und die weggesteckten Arme - ist durchaus vergleichbar. Der Schleier schaffte der Frau in beiden Fällen einen Innenraum. In beiden Darstellungen hatte der fallende Stoff eine trennende Funktion. Er grenzte die Frau vom Umfeld ab und schaffte somit einen Innenraum, der auch in Anspielung auf das weibliche Geschlecht auf die intime Seite der Erotik anspielte. Durch die Abgrenzung betonte er die Frau jedoch auch und transformierte sie zu einem Objekt der allgemeinen Betrachtung. Damit legte Duchamp die öffentliche Seite der Erotik offen. Diese Dichotomie von Intimität/ Öffentlichkeit teilen Schaufenster und Erotik. Doch Duchamp ging weiter und befragte die Zuschauerreaktion. War der Betrachter hier wie bei Cézanne ein tumber lüsterner Voyeur? (56) Oder war er wie der Maschendraht-Torso bei Duchamp potentiell ein Jedermann, der von des Schaufensters Gestaltung oder des Betrachters Phantasie erst mit Identität bekleidet werden musste (der Scheinwerfer im Schaufenster strahlt nicht die Figur unter dem Schleier, sondern den Betrachter-Torso an)? In Duchamps Auslage gab es kein Urteil im Vorhinein. Nicht Darstellung (Kunst), sondern Handlung (Betrachten, Bekleiden, etc.) ist in diesem Sinne wertend zu verstehen, wie es das "q.e.d." am Ende von Duchamps Text zu Schaufenstern nahegelegt hatte. In dieser Auslage werden die beiden Pole des künstlerischen Prozesses thematisiert, wie Duchamp sie definiert hatte: der Künstler und der Betrachter (57). Letzterer war es, der ein Urteil (verdict) an die Kunst/ Ware herantrug, doch die Kunst/ Ware würde unabhängig von der Qualität dieses Urteils bestehen bleiben. Somit wurde speziell in diesem Schaufenster die von Duchamp in dem Text von 1913 angesprochene "Frage der Schaufenster", seine Thematisierung der Moral von erotischer/kaufender Begierde wieder aufgenommen. Gerade in diesem Schaufenster veranschaulichte Duchamp noch einmal die Parallelität von Erotik in der Schaufenster- und in der Kunst-Betrachtung. Nicht das Objekt der Betrachtung bestimmte die Qualität des Erlebnisses, sondern das Subjekt. Wie später in Etant Donnés inszenierte hier Duchamp in bewusst provokanter Weise eine nackte Frau, um den Betrachter mit sich selbst, seinem Voyeurismus und seinem Begehren zu konfrontieren. Mit diesem Prozess zeigte der Künstler, dass die vermeintliche Grenze zwischen Betrachter und Voyeur moralischer nicht künstlerischer Natur war, dass vom Standpunkt der Kunst eine solche Grenze nicht so leicht zu bestimmen war. Und dass, wie bei Cézanne auch, die Eindeutigkeit moralischer Positionen zwischen Betrachter und Betrachtetem eine Illusion ist. So erübrigte es sich, von Schuld überhaupt noch zu sprechen, denn wer war hier Täter, wer Opfer? Bereits Duchamps Zeilen von 1913 hatten beide Rollen in eine Person verlegt. Ein weiteres Schaufenster von Marcel Duchamp entstand erst 1960 und trotz seiner Suggestivität ist es in der Duchamp-Literatur erstaunlicherweise bisher mit einer Ausnahme unberücksichtigt geblieben (Abb. 17) (58). Diesmal war es nicht wie bei Lazy Hardware der Kopf, der dem Mannequin, oder vielmehr, den fünf Mannequins fehlte, sondern die Arme. In einem Schaufenster für das Warenhaus Bamberger im New Yorker Vorort Newark hatte Duchamp alle fünf unbekleideten, armlosen Mannequins auf Stufen nebeneinander gestellt, so dass es aussah, als stiegen sie hintereinander diese Treppe herab (59). Das Gemälde Akt die Treppe Herabsteigend, auf das dieses Ensemble anspielte, hing gleich neben der Puppe auf der obersten Stufe. Gemälde und Puppen standen in einem Wechselverhältnis, das Duchamp als Variation auf das Thema abstrakte versus figurative Kunst angelegt hatte. Hier aber dominierte nicht eine der beiden Richtungen, vielmehr stellte sich in der Nebeneinanderstellung die grundlegendere Frage nach dem Wesen der Kunst. Wie wir wissen, hatte Duchamp in seinen Ausführungen zum "Creative Act" (1957) dem Betrachter eine gleichwertige Bedeutung neben dem Künstler im künstlerischen Schaffensprozess zugeschrieben (60). Übertragen auf eine Auslage im Schaufenster bedeutet dies, dass möglicherweise ein ähnliches Verhältnis zwischen Käufer und Schaufenstergestalter besteht. Im Januar 1960 nahm Marcel Duchamp in dieser Auslage für Robert Lebels gerade erschienene Duchamp-Monographie Sur Marcel Duchamp (1959) nochmals auf das Gemälde Bezug, das ihm 1913 bei der Armory Show amerikaweite und lang anhaltende Berühmtheit als dem Maler von Akt die Treppe Herabsteigend (1912) eingebracht hatte. Mit diesem Schaufenster adressierte Duchamp zugleich mehrere Anliegen: Erstens dankte er damit dem Kunsthistoriker und Freund Robert Lebel, der wiederum mit seiner Monographie den Künstler ehrte; zweitens setzte sich Duchamp mit dem Akt, seiner amerikanischen Rezeption und dem daraus entstandenen Mythos auseinander; drittens stellte diese Auslage mit der Ansammlung wichtiger Dokumente von Duchamps öffentlichem Werdegang, dem Akt, der Schachspieler-Zeichnung, dem Rotorelief und dem doppeltbelichteten Portrait, eine Art künstlerischen Resümees dar; viertens betrafen alle diese Punkte zugleich auch das Verhältnis zwischen Künstler und Publikum. Es war angemessen, dass Duchamp auch für Lebels Buch eine Auslage schuf, hatte dieser doch, wie gesagt, die drei Schaufenster aus den 1940er Jahren als eigenständige Werke anerkannt, indem er sie in das Duchamp-Werkverzeichnis aufgenommen hatte (61). Bereits die in den 1940er Jahren entstandenen Schaufenster waren stets durch Freundschaft, nicht durch monetäre Vergütung motiviert gewesen. Die räumliche Nähe der Puppen zum Gemälde sowie das grosse Schild mit dem Hinweis auf den Titel des Gemäldes warfen die Frage auf, ob nicht auch die Puppen als Kunst anzusehen seien. Zudem beleuchteten Puppen und Gemälde einander gegenseitig und stellten somit einen Bezug zum Konkurrenzkampf abstrakter - figurativer Kunst her. Diese Auslage entblösste diese Konkurrenz als redundant. Die Nebeneinanderstellung hatte aber auch den Vorteil, dass Duchamp den Moralisierungen der Ordnungshüter von Schaufensterauslagen zuvorkam, indem er den dort gezeigten Gegenständen, den unbekleideten Puppen, zumindest im Rahmen des Schaufensters das Prädikat "Kunst" verliehen hatte. Gar nicht so subtil amüsierte sich der Künstler hier, so scheint es, über die oftmals ungelenken Versuche (nicht nur) seiner Kritiker, Grenzen zwischen hi&low und zugleich auch zwischen Kunst und Pornographie festzulegen. Zahllose Male hatte Duchamp sein Gemälde seit dem Skandal bei der Armory Show 1913 erklären müssen:
Im Schaufenster von 1960 drehte er diese Aussage in ihr Gegenteil: Aus den Linien wurden ganze Körper, aus der Reduktion wurde Addition, die Wendung nach innen ersetzte eine Schau der Körper. Und auch der cineastische Effekt der Malerei, den der Künstler zuvor zurückgewiesen hatte, wurde hier geradezu heraufbeschworen durch den glamourösen und zugleich einförmigen Eindruck, den die Puppen trotz Arm- und Haarlosigkeit machten. Der goldfarbene Rahmen, der nicht nur das Gemälde selbst, sondern auch die fünf nackten Damen einrahmte, und am unteren Ende von den Buchauslagen sowie einer Zeichnung, der Studie für das Portrait der Schachspieler (1911), und einem Rotorelief überschnitten wurde, verlieh der Auslage musealen und zeitlosen Charakter (63). Das gleich sechsmal wiederholte doppelbelichtete Portrait Duchamps von Victor Obsatz fügte den Mannequins ein (weiteres) ironisches Moment hinzu: Die Profile der oberen Aufnahmen schauten den herabsteigenden Puppen nämlich entgegen, während die jeweilige Frontalaufnahme den Betrachter verschmitzt anlächelte. Das Schaufenster für Bamberger belegt, wie unvermindert spielerisch und zugleich ideenreich und raffiniert Duchamp mit dem Medium Schaufenster umging. Die Auslage vermittelte aber auch den Eindruck, dass der Künstler mittels Ironie eine gewisse Distanz zu dem für seinen Werdegang so bedeutenden Werk Akt die Treppe Herabsteigend eingenommen hatte. Für diese Auslage hatte Duchamp aufwendigere und langwierigere Vorbereitungen getroffen als für jene bei Brentano's und Gotham Bookmart. Er entlieh 1960 eigens die Schachzeichnung sowie den Akt aus dem Philadelphia Museum of Art (64). Mit diesem Schaufenster, in dem das Schachspiel mit dem Akt zusammengeführt wurde, thematisierte und resümierte Duchamp diese beiden Mythen seines Lebens. Das anzuzeigende Werkverzeichnis hatte sein künstlerisches Werk als Thema für diese Auslage vorgegeben. Duchamp nutzte die Gelegenheit, sich selbst noch einmal in den Rollen vorzustellen, in denen die breitere Öffentlichkeit ihn kannte. Wenn das erklärte Ziel für das Gemälde Akt die Treppe herabsteigend "eine Wendung nach Innen anstatt zu Äusserlichkeiten" gewesen war, dann wurden jetzt ostentativ die Äusserlichkeiten vorgeführt, um zu betonen, dass es sich hier um Rollen handelte. Die Mannequinimitation war grösser als das Gemälde, von dem sie inspiriert war, wie auch die skandalträchtige Popularität grösser als die kritische Beachtung des Gemäldes selbst gewesen war. In dem Schaufenster wirkte vor allem die Nacktheit der Puppen skandalös, während diese in dem Gemälde nicht der Stein des Anstosses war, sondern der Malstil, der mit Geometrisierung und Brechung der Darstellung auffiel. Schliesslich können die Puppen auch parallel zu Henry Adams' berühmtem Mannequin verstanden werden. Der Historiker und Kulturkritiker hatte seine Autobiographie nach dem Vorbild Rousseaus als einen Lehr-Bericht des Versagens stilisiert (65). Adams wählte die Metapher eines Mannequins, um ein Mass für sein Lebenswerk finden: die Kleider als eine massgeschneiderte Erziehung, die ein Zurechtkommen in der Welt des 20. Jahrhunderts ermöglichen würde. Bei Henry Adams passten die Kleider seiner Erziehung nicht, er beschrieb sein Leben als Scheitern. Bei Duchamp blieben die Mannequins nackt. Sie waren wie der Drahttorso im früheren Schaufenster Projektionsflächen für die Vorstellungen des Betrachters. Diesen Teil des Kunstwerkes überliess Duchamp als ostentative Veranschaulichung seines in "Creative Act" geäusserten Credos dem Betrachter. Aus dem Vorangegangenen sollte ersichtlich geworden sein, dass Schaufenster Duchamp aus vielerlei Gründen während seines ganzen Lebens interessierten. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen war er zu keinem Zeitpunkt gezwungen gewesen, Schaufenster für seinen Unterhalt zu gestalten, sondern er hatte diese Projekte aus Freude an der Herausforderung angenommen. Oft nutzte er sie für humorvolle persönliche Anspielungen. Beide Hauptwerke, sowohl das Grosse Glas als auch Etant Donnés sind in der Rezeption zu Recht mit Schaufenstern verglichen worden. Der Künstler war fasziniert von der Überlagerung verschiedener räumlicher Ebenen, die das Schaufenster suggerierte oder auch provozierte. Zudem reizte ihn, wie bei den Ready-Mades auch, die grosse Nähe von Kunst zu Konsumgütern, deren Trennung er oftmals als künstlich entlarvte und in Frage stellte. "Die Frage der Schaufenster" beschränkte sich bei Duchamp folglich nicht nur auf moralische oder persönliche Aspekte, sondern erstreckte sich durchaus auf fundamental künstlerische Zusammenhänge. page 1 2 Notes (24) Stuckey, cf. Anm. 2, S. 96 (Perhaps it is foolish to examine such a short-lived work as Lazy Hardware, an attempt merely to promote a friend's book). (25) Hans Belting: Das Unsichtbare Meisterwerk. Die Modernen Mythen der Kunst, München 1998, S. 373, Abb. 144. Belting stellte das Kapitel zu Duchamp anläßlich der Tagung "Marcel Duchamp. Das Große Glas. Herausforderung für Kunstgeschichte und Philosophische Ästhetik", Bonn 8.-10.10.1998, vor. Die These, das Schaufenster mit Lazy Hardware fasse alle Thesen des Großen Glases zusammen, wurde dort mündlich geäußert und ist in Beltings Buch selbst nicht zu finden. (26) Amelia Jones, Postmodernism and the En-Gendering of Marcel Duchamp, New York 1994, S. 84, wo Lacans These wie folgt auf die Photographie bezogen wird: "The gaze makes the subject 'exist' by posing her or him in relation to an other (...) This photo-graph of Duchamp's window marks not Duchamp's disseminating authorship but the fact that he exists only through our desiring 'gazes' as a reflection, as photo-graphed". (27) Werner Spies, Max Ernst - Collagen. Inventar und Widerspruch, Kunsthalle Tübingen, Kunstmuseum Bern, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf), Köln 1988/89, S. 186. 1. La femme cent têtes; 2. La femme sans tête; 3. La femme s'entête; 4. Femme sang tète. (28) Stuckey, cf. Anm. 2, S. 96 [The active role Duchamp gives to the window (...)]. (29) Stuckey (cf. Anm. 2) beruft sich auf die Information von Brentano's, die immerhin von 12 bis 18 Zoll Höhe sprachen. Damit wäre eine Spiegelung des Betrachterkopfes, so es überhaupt eine gab (Stuckey setzt voraus, dass die Lichtverhältnisse in beiden Geschäften dieselben waren, was äußerst unwahrscheinlich ist), günstigstenfalls in Brusthöhe des Mannequins möglich gewesen. (30) Deutsche Fassung nach Molderings, cf. Anm. 11, S. 71. Duchamp zitiert in: André Breton, Anthologie de l'Humour Noir, Paris 1940, S. 233. - Molderings, cf. Anm. 11, S. 71, hebt Duchamps Betonung des "reziproke[n] Verhältnis[esses] der Wahrnehmung" hervor. (31) Donati behauptet fälschlicherweise, "piss flowed through a faucet attachted to her upper thigh", was von keinem anderen Zeitzeugen oder den Photographien belegt wird (Enrico Donati im Interview mit Kim Whinna, tout-fait, cf. Anm. 21). (32) Stuckeys Spekulationen zum Ursprung des Wasserhahns und der Schürze gehören zu den Schwachstellen seines Aufsatzes (cf. Stuckey, cf. Anm. 2, S. 96f.). Daher wird hier nicht näher darauf eingegangen. (33) Craig Adcock, "Duchamp's Eroticism: A Mathematical Analysis", in: Rudolf E. Künzli und Francis M. Naumann (Hg.), Marcel Duchamp: Artist of the Century, Cambridge/ London 1989, S. 149-167, S. 163, wo es heißt: "The faucet on the mannequin is an obvious phallic symbol and transforms the female figure into a male (...)". Schwarz, cf. Anm. 14, S. 227, kommt ganz ähnlich zu dem Schluß, dass der Wasserhahn die Puppe zum Hermaphroditen werden läßt. Zudem interpretiert er die Kopflosigkeit als Kastration. - Enrico Donati will sich erinnern, dass bei Brentano's "piss flowed through a faucet", was recht unwahrscheinlich ist (cf. Anm. 21). (34) Abgebildet bei Adcock, cf. Anm. 33, S. 164. Bei Schwarz, cf. Anm. 14, S. 840, Nr. 606. (35) [Marcel Duchamp], "The Richard Mutt Case", in: The Blind Man, abgedruckt in: Tomkins, cf. Anm. 8, S. 185 (It is a fixture that you see every day in plumbers' show windows). (36) Cf. Polizzotti, cf. Anm. 14, S. 760. (37) André Breton, Arkanum 17 (franz. Erstveröff. 1944), München 1993, S. 110. Ausführliche Deutungen der Karte auf den S. 70, 84 und 110ff. Ein informativer Kommentar bei Bernd Mattheus, "Ein neün Mythos", in: Ibid., S. 149-191, bes. S. 151-157. (40) Cf. Peter Lindamood, "I Cover the Cover", in: View, März 1945, zitiert nach: Charles Henri Ford, View. Parade of the Avant-Garde. An Anthology of View Magazine (1940-1947), New York 1992, S. 119f. (41) Cf. Tomkins, cf. Anm. 14, S. 140. (42) Breton in einem Brief an seinen Freund Péret, zitiert in: Polizzotti, cf. Anm. 14, S. 733. Breton hatte etwas blauäugig die Hoffnung geäußert, dass sein 1942 erschienenes drittes surrealistisches Manifest diese Wirkung erzielen würde. (43) Polizzotti, cf. Anm. 14, S. 757. (44) Ibid., S. 758. Polizzotti beschreibt auch, dass Elisas Phlegma von manchen Freunde als unerträglich empfunden wurde. (45) Breton, cf. Anm. 37, S. 60. (46) Ibid., S. 59. Wenn Bernd Mattheus ("Ein neuer Mythos?", in: Breton, cf. Anm. 37, S. 149-191) in seinem Aufsatz daher zu dem Schluß kommt, "André Bretons 'Feminismus' dürfte nicht nach dem Geschmack der Feministinnen sein" (S. 169), so ist das eine starke Untertreibung. Breton, so scharfsinnig er auch in anderen Aspekten war, erlag genau in diesem Punkt dem"Undurchsichtigen", das er im selben Buch als den "große[n] Feind des Menschen" (ibid., S. 36) bezeichnet hatte. Gemeint waren Vorurteile, die den Blick auf die Menschen oder Dinge dahinter verstellten. (47) Polizzotti, cf. Anm. 14, S. 738, zitiert Thirion, dem Breton sein Leid klagte. (48) Amelia Jones spricht von der Puppe als "blatantly abused" (Jones, cf. Anm. 26, S. 84). (49) Frances Steloff, "In Touch with Genius", in: Journal of Modern Literature, 4. Jg., April 1975, o.S., S. 771 (I can no more disturb that window than I could alter a masterpiece. It was arranged by Breton and Duchamp themselves). Der Bericht in ähnlicher Fassung auch in: W.G. Rogers, Wise Men Fisch Here. The Story of Frances Steloff and the Gotham Book Mart, New York 1965, S. 155f. (50) Steloff, cf. Anm. 49, S. 770 (That evening I conceived the idea of covering the 'objectionable' spot with Mr. Sumner's personal card which he had left with me, and in large letters on a card beneath it the single word, 'CENSORED.' This drew larger crowds than before, and the dispaly remained in the window a full week). (51) Merkwürdigerweise hat sich bisher kein Kunsthistoriker die Mühe gemacht, die Anekdote mit der Photographie zu vergleichen und diesen Unterschied zu bemerken (cf. Abb. in: McShine/D'Harnoncourt, cf. Anm. 5, S. 137). (52) Thomas Girst: "Marcel Duchamp's Window Display for Breton's Le Surréalisme et la Peinture (1945)", tout-fait, cf. Anm. 2. (53) Cf. einen Brief von ihr an ihren Mann Patrick Waldberg, datiert 10.11.1945 (zitiert bei Thomas Girst, tout-fait cf. Anm. 2). (54) Nur bei Donati findet man den Hinweis, die Figur sei ein Ready-Made gewesen. Donati schreibt ihre Beschaffung jedoch nicht Waldberg, sondern Duchamp selbst zu (so Donati gegenüber Kim Whinna, tout-fait, cf. Anm. 21). (55) Das Schleiermotiv findet sich bei Cézanne, jedoch nicht mit solch großer formaler Übereinstimmung zu Duchamps Schaufenster, auch bei Versionen der Badende, cf. Badende vor einem Zelt, Staatsgalerie Stuttgart. Überlegenswert ist auch, ob nicht der Torso aus Maschendraht, besonders aufgrund der duttartigen Ausformung auf dem Kopf, gewisse formale Parallelen mit Portraits der Madame Cézanne teilt. (56) Benjamin Harvey ("Cézanne and Zola: " Reassessment of L'Eternel Fémin", in: Burlington Magazine, Jg. 140, Mai 1998, S. 312-318) unterstreicht die negative Konnotation von Cézannes Zuschaürn in L'Eternel Féminin, wenn er den Bezug dieses Gemäldes zu Emile Zolas Roman Nana herstellt. Harvey identifiziert die einzelnen Personen im Gemälde mit bestimmten Charakteren des Romans, die alle, gleich welchen sozialen Standes, der Prostituierten verfallen sind. Zola befindet sich im Vergleich zu Duchamp offensichtlich am anderen Ende des Bemühens, das Verhalten des Betrachters der Erotik moralisch zu werten. (57) Cf. Marcel Duchamp, "The Creative Act", Vortrag Houston 1957, abgedruckt z.B. bei Tomkins, cf. Anm. 14, S. 509f. (58) Hinweis und Abbildung finden sich bei Jennifer Gough-Cooper und Jacques Caumont, Ephemerides on and about Marcel Duchamp and Rrose Sélavy. 1887-1968, London 1993, 29.1.1960. (59) Das Warenhaus Bamberger konnte auf eine lange Geschichte der Kunstförderung zurückblicken, denn nicht der Gründer hatte das Kapitel für den Bau des örtlichen Museums finanziert und lange eine enge Freundschaft mit John Cotton Dana, dem Museumsleiter und Pionier der amerikanischen Museumswissenschaft, gepflegt. (61) Cf. Lebel, cf. Anm. 1, Kat.-Nr. 183, 188 und 189. (62) Duchamp in einem Interview mit James Johnson Sweeney, 1946, zitiert bei Tomkins, cf. Anm. 14, S. 79 [My aim was a static representation of movement, a static composition of indications of various positions taken by a form in movement - with no attempt to give cinema effects through painting. The reduction of the head in movement to a bare line seemed to me defensible (...) Therefore I felt justified in reducing a figure in movement to a line rather than to a skeleton. Reduce, reduce, reduce was my thought - but at the same time my aim was turning inward, rather than toward externals]. (63) Die Zeichnung wird bei Schwarz, cf. Anm. 14, unter der Kat.-Nr. 223 geführt. Das Archiv des Philadelphia Museum of Art belegt, dass Duchamp den Akt die Treppe Herabsteigend Nr. 3 (1916) für dieses Schaufenster ausgeliehen hat. Bei Gough-Cooper/ Caumont, cf. Anm. 58, der Hinweis, dass Duchamp die Zeichnung der Schachspieler ebenfalls dort ausgeliehen hatte. (64) Cf. Cooper/ Caumont, Anm. 58, 29.1.1960. (65) Cf. Henry Adams, The Education of Henry Adams, in: ders., Novels, Mont Saint Michel, the education, The Library of America, Bd. 14, S. 716-1192, bes. S. 721f. - Der Vergleich Duchamp - Adams liegt auch aus verschiedenen anderen Gründen (etwa dem gemeinsamen Interesse an Maschinen- und Jungfrauenmetaphorik) nahe. Erste durchaus erweiterbare Überlegungen hat Dikran Tashjian geleistet: "Henry Adams and Marcel Duchamp: Liminal Views of the Dynamo and the Virgin", in: The Arts, vol. 51, May 1977, S. 102-107.
Figs.
13-15, 17
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